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Zum Gewaltverständnis


Wie kommt es eigentlich zu Angriffen, gegen die wir uns letztendlich verteidigen müßen?
Angriffe erfolgen zu allermeist durch Personen, die ein Problem mit irgendwas oder irgendwem haben, und Gewalt als Möglichkeit der Konfliktlösung sehen. Oder durch Personen, die durch etwas, und sei's eine für uns unbedeutende Kleinigkeit, zu dem Angriff provoziert wurden (so irgendwie, Du...). Wenn man die Probleme einer Person kennt, oder aber weiß, durch was sich eine solche Person provozieren läßt, so kann man vielen Angriffen schon von vorne herein aus dem Weg gehen.
Klar - wer für seine Vorliebe für Kettensägen und großkalibrige Schußwaffen bekannt ist (wobei ich nichts gegen Waldarbeiter und Schützenbrüder gesagt haben will ;-) ), der wird gemieden. Aber leider ist nicht allen Mitmenschen anzusehen, ob sie eventuell in ihrer Kindheit selbst Opfer von Gewalt oder Mißbrauch gewesen sind und dadurch einen schweren seelischen und geistigen Knacks wegbekommen haben. Solchen Leuten kann man nicht von vorne herein aus dem Wege gehen. Dann bleibt eben nur das Vermeiden von typischen 'Opfergelegenheiten' (also sogenannten viktimogenen Situationen). Soll sagen: zu gewissen Zeiten sollte man gewisse Orte meiden, da gewisse Leute dort gern gewisse, unangenehme Dinge tun. Hat auch alles (vertretbare, wir wollen ja schließlich noch einen Fuß vor die Tür setzen wollen...) Vermeiden nichts geholfen, dann bleibt leider nur die aktive Selbstverteidigung unter Einsatz physischer Gewalt.

Zurück zum Punkt: der Angreifer hat ein Problem. Vielleicht im privaten, oder auch beruflichen Umfeld, vielleicht Minderwertigkeitskomplexe. Oder ein psychisches Problem, verursacht durch Gewalt und Mißbrauch gegen und an sich selbst. Er sucht sich ein Ventil, an dem er mal so richtig Dampf ablassen kann. Zack - schon kann es zu Gewaltanwendung kommen. Oder er sucht Bestätigung in seinem Umfeld, gegebenenfalls auch nur für sich selbst.
Gewalt kann aber auch aus Mißverständnissen untereinander entstehen. Ein falsches Wort, dazu dann eine Bereitschaft beim Betroffenen, den dadurch entstandenen Konflikt mit Gewalt zu lösen - und schon macht's wieder 'zack'. Dabei ist insbesondere der Umgang mit anderen Kulturkreisen problematisch. Eine gesunde Zurückhaltung in Gestik und Sprache kann dabei nicht schaden, insbesondere, wenn man die in der Welt unterschiedlichen Verstehensweisen des Ehrbegriffs zugrundelegt, um's mal so zu sagen.
Das Zauberwort in diesem Zusammenhang ist die "Anpassung". Anpassung mag ja in vielen Köpfen als spießig gelten - wer aber der Meinung ist, um jeden Preis seine Individualität zeigen zu müssen, der sollte sich nicht wundern. Das soll nicht bedeuten, daß grundsätzlich auf jede Form von Individualität verzichtet werden soll. Es kommt nur, wie fast immer, auf das richtige Maß in der richtigen Umgebung an. Leider ist es trotz jahrzehntelangen Predigten von Toleranz immer noch (und wird wohl auch weiterhin) gesellschaftliche Realität, daß jemand, der nicht angepasst ist, als eine Art Fremdkörper zwischen denjenigen angesehen wird, die in der jeweiligen Gegend/dem Umfeld daheim sind. Ein Vergleich zu unserem Körper: Fremdkörper werden meist abgestoßen. Selten werden sie auch vom Körper aufgenommen und vom Gewebe umschlossen. Aber nur, wenn sie mindestens neutral sind und keinen Anlaß zum Abstoßen geben. Also: in einem Rockerschuppen in Yuppieklamotten mit drei Handys am Gürtel aufzuschlagen und an der Bar fremdwortdurchtränkte Schöngeistigkeiten abzusondern, ist z.B. keine gute Idee. Die Herren Rocker könnten sich leicht verklapst vorkommen und auf ganz individuelle Art und Weise reagieren. Ohne das weiter zu vertiefen hoffe ich, daß der Punkt halbwegs klar rübergekommen ist.

Dumm und ärgerlich ist auch die provozierte Gewalt durch das Klopfen irgendwelcher Sprüche gegen Minderheiten, Religionen etc. . Da muß sich der Sprücheklopfer wirklich nicht wundern, wenn der Gegenüber plötzlich ausrastet...
Äußerst förderlich für das Entstehen von Gewaltsituationen hat sich leider 'Freund' Alkohol erwiesen. Eine Prise Statistik? Bitteschön - ist zwar aus Schweden (1990), könnte aber auch für hiesige Verhältnisse gelten: zwischen 70 und 80% der Gewalttäter waren alkoholisiert, auf Opferseite steht ihnen ein Prozentanteil zwischen 40 und 50% entgegen. Weshalb die Daten über alkoholisierte Opfer? Nun, alkoholisierte Menschen provozieren eher und füllen das vom Täter gesuchte 'Opferprofil' leichter und besser aus, sind also leichtere Opfer. Und daß der Alk allgemein bei Täter und Opfer die Hemmschwellen abbaut, muß nicht weiter bewiesen werden. Und niedrige Hemmschwellen sind ein hervorragender Nährboden für Gewalttätigkeiten.

Wo wir dabei sind - Hemmschwellen können auch anders abgebaut werden. Durch falsche Erziehung, bei der Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zugelassen oder gar gefördert wurde. Oder aber auch durch die Dauerberieselung durch die Medien, die eben solches propagieren. Schon mal das Kinderprogramm einiger Privatsender gesehen? Grausam... Übrigens sind einige Sportler auch nicht gerade Vorbilder, was gewaltfreie Konfliktlösung angeht.

Und Geisteskranke? Tja, Geisteskrankheit ist keine Ursache für Gewalt. Da müssen schon andere Faktoren (z.B. die gerade genannten) hinzutreten. Da klingt zunächst einmal seltsam, weil gerade durch die Medien oft verbreitet wird, da habe wieder ein Bekloppter Gewalttat xy begangen. Deshalb wird Geisteskrankheit auch latent mit Gewaltbegehung oder Gewaltbereitschaft assoziiert. Dem ist allerdings, wie gesagt, nicht so. Geisteskranke begehen Gewalttaten in stärkerem Maße in einer Weise, die dazu geeignet ist, von den Medien verbraten zu werden. Deshalb dringen solche Taten stärker ins Bewußtsein. Aber nochmals: niemand ist als Gewalttäter geboren worden, auch Geisteskranke nicht.
Gewalttäter von Geburt an gibt es nicht, Gewalt muß erst erlernt werden. Man hat versucht nachzuweisen, daß Gewalttäter ihre Neigung vererben. Der Beweis konnte nicht erbracht werden. Nach wie vor wird allerdings behauptet, daß eine gewisse Neigung zu Gewalttaten genetisch übertragen wird. Behauptet, wie gesagt - nicht bewiesen.

Und die Ursachen? Die liegen tiefer, in der Vergangenheit und in der Umgebung des Täters, wie es gerade auch schon anklang...

Gewaltentstehung in Schlagworten:

Zur Entstehung von Gewalt gegen Frauen siehe auch Kap. 'Frauen und Selbstverteidigung'.

Das gerade Genannte erhebt natürlich lange keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Entstehung von Gewalt ist elend komplex und füllt - in Bücher gegossen - Wände.


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© 1997/98/99 Christian Stücke